Entfesselt vom Feedback anderer

Wie oft machen wir uns abhängig von den Meinungen anderer? Wie häufig suchen wir das bestätigende Feedback unseres Nächsten und stehen so in der Gefahr zum Spielball anderer zu werden? Wo liegen die Grenzen zwischen dem Streben nach Harmonie und dem Bemühen, das Richtige zu tun? Dieser Artikel ist ein persönlicher Jahresrückblick der etwas anderen Art und offeriert über eine Kurzgeschichte, dass man nicht immer allen Erwartungen gerecht werden kann und auch nicht muss.

 

Wenn ich dem letzten Jahr eine Überschrift geben müsste, dann würde sie wohl stark mit dem Thema Feedback und Bestätigung zusammenhängen. Ich würde mich selbst zwar als selbstsicher und selbstbewusst bezeichnen, aber so manche Sicherheit ist eben auch die Folge eines Umfelds, das einem Zuspruch schenkt.

 

Mein beruflicher Jahresrückblick

Durch meinen Jobwechsel Anfang 2023 wurde bei mir beruflich alles auf Null gestellt. Es galt sich nach 7 Jahren in einer neuen Agentur einzuleben. Sich an neue Arbeitsbedingungen und Alltagsroutinen zu gewöhnen. Neue Chef:innen, Mitarbeiter:innen und Kolleg:innen kennenzulernen. Immer auch mit dem inneren Wunsch nach Bestätigung. Hat man die richtige Entscheidung getroffen? Schafft man es, sich in das neue Umfeld einzugliedern? Wie wirkt man auf andere? Gelingt es einem wirksam zu sein?

Und trotz großem Selbstbewusstsein merkt man, dass nicht alles ein Selbstläufer ist. Dass manches vielleicht verkehrt ankommt. Man auch mal aneckt, um an anderer Stelle dann doch wieder gesagt zu bekommen: Guter Impuls! Toll gemacht! Dankeschön.

In einem wirtschaftlich eher herausforderndem Jahr gehört es dazu, dass man mitunter unpopuläre Entscheidungen treffen muss. Die aufgerütteln. Die zwar richtig sein mögen, aber für die man keinen Applaus erwarten kann. Bei denen man sich innerlich aber auch fragt: Wie wird das wohl ankommen? Was werden die anderen wohl (über mich) denken?

Parallel dazu habe ich in 2023 mit einem Leadership Podcast sowie diesem Ermutigungsblog gestartet. Dabei durfte ich erleben, wie es sich anfühlt, wenn Erwartungen übertroffen werden. Wie man vom Feedback anderer überwältigt ist und über den Klee gelobt wird. Was es mit einem macht, wenn die Zahlen steigen und ein Plan aufgeht.

Aber gleichzeitig kann sich so ein Blatt auch schnell mal wenden. Ist eben nicht jeder Schuß ein Treffer. Jede Folge oder Beitrag ein Erfolg. Ich musste lernen damit umzugehen, wenn man viel Zeit in etwas investiert und dann weniger Mithilfe und Ressonanz folgt, als man sich erhofft. Wo man sich fragt: Wo bleibt die Bestätigung für das, was man tut? Was habe ich wohlmöglich falsch gemacht? Lohnt sich der Einsatz?

Und ich habe erlebt, wie es ist, wenn man auf einer Bühne steht und man auf Basis weniger Feedbacks das Gefühl hat, es komplett vermasselt zu haben – um dann aber im Laufe der Zeit zu merken, dass es viele doch ganz anders sehen. Das der Auftritt sehr gut war. Der Inhalt inspiriert hat. Man etwas mitnehmen konnte. Da fragt man sich doch: Welchem Gewicht soll man eigentlich dem Feedback Einzelner schenken? Wie kann man Kritik ernst nehmen, aber sich davon nicht abhängig machen?

 

Der richtige Umgang mit Feedback

Grundsätzlich bin ich ja ein Freund und Förderer einer lebendigen Feedbackkultur. Denn ich bin überzeugt: Lob und Dank motivieren. Und ein Daumen nach oben setzt Glückgefühle frei. Aber auch ehrliche Rückmeldungen bringen einen weiter. Konstruktive Kritik bergen das Potenzial, es beim nächsten mal besser zu machen.

Und doch ist es entscheidend, sich nicht abhängig vom Feedback anderer zu machen. Seinen Weg zu gehen und das Richtige zu tun. Nicht in die Falle zu tappen, es allen recht machen zu wollen. Dinge zu tun oder zu unterlassen, bloß um die Harmonie zu bewahren. Denn ansonsten geht es einem, wie dem Vater und Sohn in der folgenden Kurzgeschichte, die mit ihrem Esel unterwegs waren und es scheinbar keinem recht machen konnten.

 

Eine Kurzgeschichte von Nasreddin Hodscha: Der Esel, der Vater und der Sohn

Ein Vater zog mit seinem Sohn und einem Esel in der Mittagshitze durch die staubigen Gassen. Der Sohn führte und der Vater saß auf dem Esel.

„Der arme kleine Junge“, sagte ein vorbeigehender Mann. „Seine kurzen Beine versuchen, mit dem Tempo des Esels Schritt zu halten. Wie kann man nur so faul auf dem Esel sitzen, wenn man sieht, dass das Kind sich müde läuft?”
Der Vater nahm sich dies zu Herzen, stieg hinter der nächsten Ecke ab und ließ den Jungen aufsitzen.

Es dauerte nicht lange, da erhob schon wieder ein Vorübergehender seine Stimme: „So eine Unverschämtheit! Sitzt doch der kleine Bengel wie ein König auf dem Esel, während sein armer, alter Vater nebenherläuft.“ Dies tat nun dem Jungen leid und er bat seinen Vater, sich mit ihm auf den Esel zu setzen.

„Ja, gibt es sowas?“, sagte eine alte Frau. „So eine Tierquälerei! Dem armen Esel hängt der Rücken durch und der junge und der alte Nichtsnutz ruhen sich auf ihm aus. Der arme Esel!“

Vater und Sohn sahen sich an, stiegen beide vom Esel herunter und gingen neben dem Esel her. Dann begegnete ihnen ein Mann, der sich über sie lustig machte: „Wie kann man bloß so dumm sein? Wofür hat man einen Esel, wenn er einen nicht tragen kann?“

Der Vater gab dem Esel zu trinken und legte dann die Hand auf die Schulter seines Sohnes. „Egal, was wir machen“, sagte er, „es gibt immer jemanden, der damit nicht einverstanden ist. Ab sofort machen wir uns nicht mehr abhängig von dem, was andere sagen!“ Der Sohn nickte zustimmend.

 

Was wir aus der Geschichte lernen können

Man kann es nicht allen recht machen. Unabhängig davon, wie bedacht wir handeln, wird es stets Menschen geben, die unsere Aktionen falsch interpretieren oder ablehnen.

Wird mit Geld großzügig umgegangen, kritisieren manche dies als Verschwendung. Ist man hingegen sehr sparsam, gilt man schnell als knausrig. Vertritt man offene Ansichten, halten einen einige für übertrieben tolerant, während konservative Einstellungen oft als rückständig bewertet werden. Unternimmt man nichts, wird man für diese Untätigkeit kritisiert, und entscheidet man sich zum Handeln, wird auch dies oft beanstandet.

Alles hat also seinen Kontext. Seine Hintergründe. Seine Perspektiven.

Feedback ist folglich immer wie eine kostenlose Beratung von außen zu verstehen. Ein Angebot, das einem einen externen Blickwinkel bietet, wie man die Welt auch sehen kann. Und diesen darf man ernst nehmen, darüber nachsinnen und mit in die Waagschale werfen.

Doch die Entscheidung, was wir mit dem Feedback machen, obliegt uns selbst. Wir haben wohlmöglich mehr Hintergrundinformationen als der oder die Feedbackgeber:in. Wir wissen um unsere eigene Motivation. Um unsere Erwartungen. Um unsere Zielsetzung.

Und so müssen wir am Ende auch die Konsequenzen für unsere Entscheidungen tragen. Oder ggf. (irgendwann einmal) Rechenschaft dafür ablegen. So hat eben auch jede der Optionen bei der Geschichte zwischen Vater, Sohn und Esel seine Konsequenzen für jeden Einzelnen. Nur welche für die Beteiligten in der jeweiligen Situation die beste Option ist, obliegt ihnen selbst. Und im besten Fall besprechen diese sich miteinander, anstatt andere darüber reden.

Wichtig dabei ist nur, dass wir aus diesen Feedbacks nicht unseren Wert ziehen dürfen. Denn: Wenn wir uns vom Lob anderer ernähren, werden wir an der Kritik anderer sterben. Unsere Identität muss unabhängig von der Rückmeldung anderer sein. Das gilt es sich immer wieder ins Gedächtnis zu rufen. Sowohl in Momenten, in denen wir in höchsten Tönen gelobt werden als auch in Momenten, wo negatives Feedback auf uns einströmt.

Das ist in meinen Augen die Essenz im Umgang mit Feedback. Das ist mein vielfach erlerntes Fazit aus dem letzten Jahr. Und so bin ich gespannt, welche Learnings und Perspektiven das nächste bereit hält.

Happy New Year!

 

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